„Bei mir war immer alles gut. Nur – es war nie gut.“

Andreas spricht über etwas, das viele kennen, aber kaum jemand ausspricht: den Druck, zu funktionieren. Den Zwang, stark zu sein, selbst wenn innen alles bricht.

Seine Geschichte ist keine Ausnahme, sondern eine Struktur. Sie erzählt von den unsichtbaren Räumen zwischen Außenbild und Innenleben, zwischen Kontrolle und Zusammenbruch.

Das Interview ist Teil einer fortlaufenden Reihe von Gesprächen, in denen Menschen über das sprechen, was sie sonst verbergen: Angst, Scham, Zweifel – und die Kraft, sich dem zu stellen.

Im Kontext von STORE steht Andreas’ Erzählung für das Prinzip der Hygiogenese – den Wandel von der Defizitlogik hin zu einer Gestaltung von Bedingungen, die Selbstregulation und Ausdruck ermöglichen.

Sie zeigt, was entsteht, wenn Menschen Räume finden, in denen sie nicht mehr perfekt sein müssen, um ganz zu sein.

Andreas spricht hier über ein zentrales Phänomen moderner Männlichkeit: die Unmöglichkeit, Schwäche zu zeigen, ohne den eigenen Wert infrage zu stellen.

Seine Worte beschreiben nicht nur eine Biografie, sondern eine Struktur – den Zwang zur Funktionalität, der in vielen pädagogischen, beruflichen und familiären Kontexten fortlebt.

Was er erzählt, ist kein Einzelfall. Es ist der Körper, der lernt, Angst zu verstecken, bis sie chronisch wird.

Hygiogenese würde hier nicht nach dem Defekt fragen – sondern nach der Bedingung, die Heilung ermöglicht: Räume, in denen Nicht-Perfektion erlaubt ist.

Hygiogenese bedeutet: Strukturen so zu gestalten, dass Angst sprechen darf, ohne Pathologisierung.

Inklusubjektivität bedeutet: jedem Menschen die Anerkennung seiner inneren Realität zuzusprechen – nicht als moralische Geste, sondern als institutionelle Praxis.

Andreas zeigt, was geschieht, wenn diese Räume fehlen. STORE fragt: Wie können wir sie schaffen?

„In meinem Leben ging es immer nur darum, perfekt zu sein. So perfekt, wie man nur sein kann. Ich hab schon als Kind gelernt, was es heißt, nicht dazuzugehören – was es heißt, gehänselt, gemobbt zu werden. Ich hab gelernt, was Angst ist, und wie es sich anfühlt, wenn man nicht drüber reden kann. Ich hab gelernt, wie böse die Welt sein kann. Draußen – und zu Hause. Ich hab immer gehört: Du bist nicht perfekt. Zu klein. Zu dick. Zu hässlich. Zu dünn. Dann wieder: zu viele Muskeln, zu viele Tattoos, die falsche Haarfarbe.

Ich hab alles an mir gehasst. Alles, was sich um mich gedreht hat.
Seine eigenen Ängste sich einzugestehen – und sie mit Freunden zu teilen – ist eine der größten Herausforderungen im Leben. Wenn mich auf meiner alten Arbeit jemand gefragt hat: „Alles gut bei dir?“,

hab ich immer gesagt: Ja, klar.

Aber es gab Tage, da stand ich auf der Toilette und hab einfach geheult, weil ich nicht mehr konnte.
Ängste gesteht man anderen zu. Aber sich selbst? Eigentlich nie.

Und schon gar nicht als Mann.
Weil du als Mann stark sein musst. Weil du funktionieren musst.
Oder – besser gesagt – funktionieren sollst.

Ich hab’s immer so gemacht: gesagt, alles ist gut.
Bei mir war immer alles gut.
Nur: Es war nie gut.

Sobald die Tür zu war, war gar nichts mehr gut.“